Lies mal Zeitung, Slavecommando. Vor allem die FAZ und die FR, wobei dir die FAZ ja eigentlich sicher bekannt ist... als konservatives Blatt.
Und eben in dieser FAZ erschien am 26.09.02 ein Artikel, den ich so gut fand, dass ich ihn aufgehoben habe:
Rainer Hank - FAZ - 26.09.02
Angst vor liberaler Politik
Angenommen, die FDP hätte im Wahlkampf weder mit den Eskapaden des Jürgen W. Möllemann noch mit den Spaßigkeiten des Guido Westerwelle kämpfen müssen. Angenommen, der Vorsitzende der FDP wäre ein jugendlicher Otto Graf Lambsdorff, nur der Sache und nicht persönlicher Eitelkeit oder machtpolitischen Ränkespielen verpflichtet. Hätte die FDP dann ihr Wahlziel erreicht? Wäre sie dann auf ein zweistelliges Ergebnis gekommen?
Nein. Woran ist die FDP dann gescheitert? Die Antwort klingt bitter: an ihrem Programm. Die Botschaft des vergangenen Sonntags heißt auch: Eine liberale Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Wettbewerb wichtiger nimmt als Korporatismus und die Marktlösungen allemal gegenüber Staatshandeln bevorzugt, hat in Deutschland keinen Platz. Pardon, hat in Deutschland Platz für rund acht Prozent der Wählerstimmen. Noch drastischer gesprochen: Deutschland ist zweifelsohne ein liberales Land. Als politisches Programm wird der Liberalismus aber kaum gewählt. Die Bürger ziehen hierzulande lieber solche politischen Angebote vor, die ihnen mehr Verteilungsgleichheit und Veränderungszurückhaltung versprechen.
Union und Sozialdemokraten haben es im Wahlkampf mit fast identischen Argumenten gut verstanden, den Bürger vor dem liberalen Wirtschaftsmodell zu warnen. Das Verdikt lautet unisono: Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse. Es ist kein Zufall, dass Kanzler Schröders Wort vom "deutschen Weg" zweifach verstanden werden kann. Nicht nur in der Außen- und Sicherheitspolitik, auch in der Sozial- und Wirtschaftspolitik will Deutschland einen eigenen Weg gehen. Manche übersehen, dass dem Isolationismus, den Schröder gegen Amerika spielt, auch ein wirtschaftspolitischer Isolationismus korrespondiert. Auch das ist Antiamerikanismus. Dessen Merksätze sind oft wiederholt worden: Es geht um Shareholder-Kapitalismus und Globalismus, gegen Feuern (und Heuern), es geht gegen Privatisierung, Flexibilisierung und Deregulierung. Der Kern der Haltung ist klar genug: Es geht gegen das Prinzip des Wettbewerbs, weil die Menschen in Deutschland nicht ganz zu Unrecht fürchten, sein Preis wäre größere Ungleichheit.
In dieser Grundhaltung unterscheidet sich die Union allenfalls in Nuancen von der SPD. Auch die Union beteuert ein ums andere Mal, dass sie keine amerikanischen Verhältnisse dulde und in keinem Fall die Besonderheiten des deutschen Modells ändern wolle: Zunftordnung im Handwerk und Landenschluß im Handel, Tarifkartell bei der Lohnfindung oder öffentliche Banken für den Mittelstand - mit Wettbewerb hat das alles wenig zu tun. Doch weder Union noch Sozialdemokraten lassen daran rütteln. Das Ergebnis der Wahl vom Sonntag gibt den großen Parteien recht. Zweimal 38,5 Prozent der Menschen haben wirtschaftlich die grosse Koalition gewählt. Die einen wollten Gerhard Schröder, die anderen Edmund Stoiber als Kanzler haben. Beide Gruppen wollen aber, dass sich grundsätzlich hierzulande nicht viel ändert.
Deshalb gilt es auch ganz genau hinzusehen, wenn es heißt, die hohe Arbeitslosigkeit sei neben Flut und Irak wahlentscheidend gewesen. Gewiss, alle Parteien geben vor, sich um die schlechte Beschäftigungssituation zu sorgen. Doch umfassende Reformen des Arbeitsmarktes, welche nachhaltig mehr Menschen in Lohn und Brot brächten, hat allein die FDP versprochen. Sie hat freilich auch nicht verschwiegen, dass dies mit der Entmachtung großer Lobby-Gruppen einhergehen müsse. Die Quittung für diese Ankündigung steckt fraglos in den 7,4 Prozent des FDP-Ergebnisses. Die Mehrzahl der Menschen (und der Politiker) will Arbeitsmarktreformen, die keinem weh tun. Weder Höhe noch zeitliche Begrenzung der Arbeitslosenunterstützung darf in Frage gestellt werden. Schon gar nicht soll die Lohnfindung dem Markt überantwortet werden.
"It's the Economy, Dummkopf", schreibt das Magazin "Newsweek" - Bill Clinton eindeutschend - in einer großen Geschichte dieser Woche, die den Titel "The German Problem" trägt. Schoningslos seziert der amerikanische Blick, wohin der deutsche Weg geführt hat: Aus einem Erfolgsmodell wurde das Modell des Niedergangs. Weil die umverteilenden Aufgaben des Sozialstaates zu- statt abnahmen, weil Haushaltsdisziplin sich in neuen Schlendrian wandelt und die Fiskalverfassung zentralisiert und nicht föderalisiert wurde. Die Alternative zum deutschen Weg findet sich im FDP-Programm. Originell ist sie nur aus deutscher Perspektive; für Angelsachsen gehört sie zum gesunden ökonomischen Menschenverstand.
Doch anders als die ausländischen Beobachter sind nur wenige Deutsche tatsächlich der Meinung, ihre Wirtschaft sei krank. Deshalb sehen sie auch nicht ein, warum das Land eine solche Radikalkur nötig hat, wie sie von den Liberalen vorgeschlagen wird. Es ist ja noch immer gut gegangen, lautet der Wahlspruch des rheinischen Kapitalismus. Das soll auch in der Berliner Republik der zweiten rot-grünen Legislaturperiode gelten.
Doch das Zutrauen zum deutschen Weg könnte trügen. Andere Länder haben bessere Wachstumsraten, weniger Arbeitslose, und ihre Aktienmärkte sind selbst in diesen Krisenzeiten nicht so stark eingebrochen wie hierzulande. Man darf sich nicht täuschen: Erfolgreiche Modell können Glanz verlieren. Japan kann ein Lied davon singen. Von vielen in den achtziger Jahren bewundert, stagniert das Land seit mehr als einer Dekade.
Deutschland stemmt sich gegen liberale Wirtschaftsreformen. Das ist in Ordnung. Ob es freilich Reformalternativen jenseits des liberalen Modells gibt, ist nicht ausgemacht. Rot-Grün hat die Katze bislang nicht aus dem Sack gelassen. Hartz allein kann es nicht sein. Erschwerend kommt noch hinzu: Reformen glücken meist nur am Beginn einer Legislaturperiode. Würde der Zeitpunkt verpasst, wären rasch abermals vier Jahre verloren.
Verstehst du mich jetzt?
"Do you feel loved? And it looks like the sun, but it feels like rain. And there is heat in the sun, to see us through the rain."---- U2 - Do You Feel Loved ----
released 1998 on the Album "POP". © 1998 by Island Records (Polygram)Sincerely yours
King Nothing
note: r.i.p. martin wilke!
contact: philkramer@gmx.de | phil-kramer.de.vu
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